Passion, Patchwork & PIWIs….

Die Rückkehr des Weinlands Polen und ein Gespräch über Wein als Familienkitt

Polen & Wein: Zugegeben nicht das naheliegendste Wortpaar, das einem in Verbindung mit unserem, für seine spannenden Städte und imposanten Naturlandschaften bekannten Nachbarland in den Sinn kommt. Betrachtet man die Weinbautradition des Landes aber etwas genauer, fällt auf, dass insbesondere die Region um Zielona Góradas ehemalige Grünberg in Schlesien, eine durchaus lebhafte Weinbauhistorie aufzuweisen hat. Ebenso wie in der südöstlichen Woiwodschaft Podkarpackie (Vorkarpaten), wurde hier schon im

Weinfässer - (c) Winncia Turnau

14. Jahrhundert Wein kultiviert und auch mit der deutschen Weinbaugeschichte ist die Region eng verknüpft. So produzierte hier, im damals nördlichsten Weinbaugebiet Deutschlands, zum Beispiel die älteste Sektkellerei des Landes, Grempler & Co., von 1826 bis 1944 ihren Sekt. Ein Kuriosum: Der Weinberg der Kellerei liegt heute mitten in der Stadt und ist intakt, wird aber nicht für die Weinherstellung genutzt.

Nachdem der Weinbau zu Zeiten des Sozialismus in Polen fast vollständig zum Erliegen kam, bahnte sich 1990 eine zarte Renaissance an. Zwar sind es zunächst hauptsächlich kleine Betriebe, die den Weinbau eher als private Leidenschaft betreiben, aber dank lokaler Winzervereinigungen, der Unterstützung durch das Polnische Institut für Weinreben und Wein sowie der EU, darf der im Land produzierte Wein heute auch wieder gehandelt werden. Immer mehr Winzer stellen sich nun den bürokratischen Hürden und strengen Auflagen, die den Weinhandel im Land reglementieren.

Neben Zielona Góra in Niederschlesien und den Vorkarpaten sind auch in den südlichen Bergregionen Kleinpolens und Schlesiens sowie im Lubliner Land und in Großpolen zahlreiche passionierte Weinmacher zu finden. Und sogar im hohen Norden Masurens und Pommerns finden sich einige Winzer – insgesamt sind es heute wieder weit über 500 Betriebe.

Zu den wenigen Betrieben, die heute im größeren Stil produzieren und zugleich wesentlich weiter nördlich liegen, als die Gebiete um Zielona Gora und die Vorkarpaten, zählt Winnica Turnau bei Banie in Westpommern, rund 30 Kilometer südlich von Stettin.

Wir haben Jacek Turnau, einen der Begründer des familiären Betriebes gefragt, wie es dazu kam, dass ein Musiker, ein Absolvent der Wirtschaftsuniversität, ein Maschinenbauer und ein Absolvent der Agrarakademie gemeinsam ein Weingut führen; wie sie den Aufbau der Rebflächen angegangen sind und wie er die Zukunft des polnischen Weinbaus sieht….

Herr Turnau, Ihr Weingut ist ein echter Familienbetrieb, aber nicht im ganz klassischen Sinne, wie man das in Traditionshäusern oft findet. Erklären Sie uns doch kurz, wie es dazu kam, dass heute Cousins aus unterschiedlichsten Fachrichtungen auf dem Agrarland Ihres Vaters gemeinsam Wein kultivieren?

JT: Mein Vater beschäftigt sich bereits seit 22 Jahren mit Landwirtschaft und mit seinem Cousin Grzegorz Turnau ist er seit 25 Jahren sehr gut  befreundet. Grzegorz wiederum, der in Polen ein sehr berühmter Sänger ist, wollte schon immer auch etwas anderes machen, besonders im Landwirtschaftsbereich. Da passte die Idee mit dem Weingut hervorragend.

Sie haben mit dem Anlegen der Weingärten ja quasi bei Null angefangen. Wie haben Sie die Flächen und die Rebsorten ausgewählt? Wie sind die klimatischen Bedingungen und wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihren ersten Wein auf die Flasche gezogen und etikettiert haben?

JT: Die richtige Lage für den Weingarten war einfach zu wählen, weil nur ein Grundstück zur Verfügung stand; es liegt neben einem sechs Hektar großen See und hat südliche Neigung. Die Fläche von 20 Hektar passte auch zu unserem Vorhaben.

Die Rebsorten haben wir nach Empfehlungen der Weininstitute in Freiburg und Geisenheim ausgewählt. Das Klima ist bei uns ähnlich wie in anderen bekannten Weingebieten (z.B. Zielona Góra)… die gleiche Zahl an Sonnetagen und die gleiche durchschnittliche Jahrestemperatur. 2009 haben wir mit den ersten 500 Pflanzen angefangen, dann kamen die nächsten zwei, drei und 15 Hektar. 2014 war schon unser erster Wein im Fass und im März 2015 haben wir unsere ersten Flaschen abgefüllt.

Man liest immer wieder, dass die polnische Bürokratie es den Winzern nicht ganz leicht macht, ihre Weine zu verkaufen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Und wussten Sie von Anfang an, dass Sie den Weinbau auch kommerziell betreiben wollen oder war es zunächst eher eine Liebhaberei? 

JT: Wir haben schon von Anfang an geplant, unsere Weine kommerziell zu produzieren und zu vermarkten. Die Prozeduren waren nicht einfach und es hat alles in allem zwei Jahre gedauert, bis alle Bedingungen erfüllt waren, aber die Einstellung seitens der Beamten war sehr positiv.

Urkundenübergabe 2015

Urkundenübergabe Int. PIWI Weinpreis 2015

Zwei Ihrer 2014er Weißweine gehören zu den großen Gewinnern des Internationalen PIWI Weinpreises 2015 und auch dieses Jahr haben Sie wieder erfolgreich teilgenommen. Nutzen Sie die Prämierung hauptsächlich im Vertrieb oder geht es Ihnen eher um die Analyse und das Abschneiden im internationalen Vergleich?

JT: Beide Faktoren sind für uns sehr wichtig, aber die Hauptrolle spielt die Möglichkeit unsere Weine im internationalen Vergleich zu sehen.

Noch eine Frage zum Vertrieb: Gehen die meisten Ihrer Weine in den Export oder sitzt Ihr Kundenstamm eher in Polen?

JT: 95 Prozent der Produktion verkaufen wir in Polen, aber man kann unsere Weine auch in Deutschland, Frankreich sowie der Tschechei und Slowakei beziehen.

Polen ist zwar nicht das erste Land, das einem in Verbindung mit Wein in den Sinn kommt; es hat aber durchaus eine lange Tradition in Sachen Weinbau, die heute vielerorts wieder aufgegriffen wird. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche? Wird Polen wieder zu einer bekannten Weinnation?

JT: Das Klima ändert sich jedes Jahr. Unter diesen Vorzeichen wird die Weinproduktion sich in den nächsten Jahren sicher weiterentwickeln und wir bleiben sehr gespannt was die Zukunft uns bringen wird.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Turnau. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie weiterhin viel Erfolg und sind gespannt auf die nächsten Jahrgänge!