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Warum clevere Menschen ohne Wein nicht leben können…

Milos Michlovsky über das Weinland Tschechien, seine Liebe zum Rebstock und „Terroir aus der Tiefe“…

Mit einer verhältnismäßig kleinen Rebfläche von ca. 18.500 Hektar ist das Weinland Tschechien auf der Böhmisch-Mährischen Höhe gelegen – einem kristallinen und stark abgetragenen Urgebirge, das sich im Westen bis nach Deutschland und im Osten bis in die Slowakei erstreckt. Die Rebflächen konzentrieren sich im Süden des Landes, nahe der Grenze zu Österreich, wo subkontinentales Klima den Weinbau begünstigt. Südmähren, das mit 94 Prozent der landesweiten Rebflächen die bedeutendste Weinregion ausmacht, konzentriert seine Weinbaugebiete um den Fluss Thaya sowie die Städte Velké Pavlovice, Mikulov, Znojmo, Hustopeče und Šatov und die Region Slovácko. Das wesentlich kleinere Weinbaugebiet Mittelböhmens konzentriert sich an der Elbe, rund um die Städte Litoměřice und Mělník.

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Wie seine Nachbarländer Deutschland, Österreich und Slowakei blickt Tschechien auf eine lange Weinbautradition zurück; in Mähren wird der Weinbau erstmals im dritten Jahrhundert mit den Römern erwähnt. Der weinbauliche Niedergang kam im 17. und 18. Jahrhundert durch Kriege sowie das Einsetzen der industriellen Revolution. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts ging es wieder bergauf und heute deckt das Land bereits rund 45 Prozent seines Weinbedarfs wieder selbst – Tendenz steigend.

Auch in Sachen Qualität ist Tschechien mit seiner Produktion auf dem Vormarsch, was internationales Interesse weckt. Einer der großen Namen und Vordenker der tschechischen Weinszene ist Milos Michlovsky – Winzer, Dozent und Rebzüchter – der mit seinen Weinen des Guts Vinselekt Michlovsky seit Jahren erfolgreich an Wettbewerben, wie dem internationalen bioweinpreis, dem PAR Wine Award International oder den Vinalies Internationales Paris teilnimmt.

Michlovsky1Michlovskys Weingut liegt in Rakvice; die Rebflächen verteilen sich auf mehrere Weinbaugebiete und sind nicht nur hinsichtlich der Böden recht unterschiedlich. Miklovkys Forschergeist und seine Tätigkeit als Rebzüchter sind hier deutlich sichtbar, denn neben unterschiedlichen Anbaumethoden kommen auch eine Vielzahl von Rebsorten zum Einsatz – altbekannte sowie PIWIs und Neuzüchtungen, die er liebevoll seine „Kinder“ nennt.

Ein Interview über ökologischen Weinbau, Terroir, die Tschechen als vermeintliche Biertrinker und noch vieles vieles mehr…

Herr Michlovsky, Sie sind nicht nur der Gründer eines sehr erfolgreichen mährischen Weinguts; sie gelten auch als einer der führenden Weinbau-Experten Tschechiens. Können Sie uns sagen, wo ihre Faszination für die Rebe und ihren Anbau ursprünglich herkam?

MM: Der Weinbau und die Arbeit im Keller sind mein Job, meine Passion, mein Hobby….mein ein und alles! Und wenn ich etwas tue, dann tue ich es immer so gut ich kann.

Als Sie anfingen Vinselekt Michlovsky aufzubauen, hatten Sie bereits eine akademische Karriere. Wie kam es zu der Entscheidung, sich im Weinbau selbstständig zu machen und warum haben Sie anfangs hauptsächlich Trauben für die Schaumweinproduktion angebaut?

MM: Nach 1989 habe ich, auch auf universitärer Ebene, als Rebzüchter gearbeitet. Es ist unmöglich in Sachen Weinbau und Kellertechnik rein vom Lehrstuhl aus, sozusagen theoretisch, zu unterrichten. Man braucht auch praktische Erfahrung. Und damit man, wenn etwas schiefgeht oder die Produktqualität nicht gut genug ist, nicht sagen kann, es hat an mangelndem Equipment gelegen, muss man eben Geld verdienen um ebendieses Equipment zu kaufen.

Neun Ihrer 125 Hektar Rebfläche werden ökologisch bewirtschaftet; 5,5 Hektar sind gerade in der Zertifizierungsphase. Bauen Sie in ihren Bio-Weinbergen andere Sorten an, als in den nach der integrierten Methode bewirtschafteten und wenn ja, warum? Würden Sie sagen, dass dem ökologischen Weinbau die Zukunft gehört?

MM: Ein Mensch mit biologischer Ausbildung sollte großen Respekt und Anerkennung für die Natur haben, denn wir sind ein Teil von ihr. Deshalb betreiben wir auf unseren Flächen integrierten Weinbau und stellen höchste Ansprüche an die Qualität. Zudem ist ein Teil unserer Weinberge (mehr als 10 Prozent) ökologisch bewirtschaftet. Um Weine von höchster Qualität zu produzieren, benötigt man perfekt gereifte und absolut gesunde Trauben. Das ist der Grund warum die Herstellung von Bioprodukten mit der Vitis Vinifera eher unmöglich als möglich zu sein scheint. Daher setze ich diese Sorten in der integrierten Produktion ein. Für die Bioproduktion kultivieren wir neue Rebsorten, die eine hohe Resistenz gegenüber den meisten Schädlingen und Krankheiten aufweisen. Wir nutzen hauptsächlich neue Rebsorten aus unserem eigenen Zuchtprogramm, die besser an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind.

In Sachen Zukunft – Sie sind ja nicht nur Winzer, sondern auch einer der bekanntesten Rebzüchter Ihres Landes. Gibt es eine neue Sorte, die Sie besonders spannend finden?

MM: Wir haben viele spannende neue Rebsorten. Ich liebe sie alle, weil sie alle meine „Kinder“ sind. Es ist nicht mögliche eines mehr zu lieben als das andere.

Mit 18.500 Hektar Rebfläche ist Tschechien ein eher kleines Weinland und in der Wahrnehmung vieler sind die Tschechen immer noch eher Biertrinker. Tatsächlich hat die Qualität der Weine in den letzten Jahren konstant zugenommen und die internationale Nachfrage steigt. Würden Sie sagen, dass die Wahrnehmung sich langsam ändert? Und produzieren sie hauptsächlich für den tschechischen Markt oder verkaufen Sie Ihre Weine auch ins Ausland?

MM: Bier ist ein gutes Getränk. Aber Wein ist besser; sogar historisch gesehen ist es das ältere und „kultiviertere“ Getränk. Wein ist Kunst. Und der Homo Sapiens ist “Sapiens” weil er Kunst versteht und ohne sie nicht leben kann. Deshalb können schlaue Menschen ohne Wein nicht leben (lacht).

Die meisten unserer Weine werden hier in Tschechien getrunken. Wir exportieren nur fünf bis zehn Prozent. Ich folge der Philosophie, dass der Mensch nach Möglichkeit das essen und trinken sollte, was rund um die „eigene Feuerstelle“ wächst. Wie Darwin gesagt hat, „nur so ist der Mensch originär, nur so kann er seine „induzierte Resistenz“ bewahren und nur so hat der die Chance auf Entwicklung und Überleben“.

Sie legen einen sehr starken Fokus darauf, gesunde, qualitativ hochwertige und voll ausgereifte Trauben zu erhalten. Erzählen Sie uns ein wenig über Ihre Anbaumethoden und die Gründe für deren Einsatz…

MM: Wenn man über originäre und einzigartige Weine, wie Terroir-Weine, sprechen will, muss man die Rebstöcke so pflanzen, dass sie so tief wie nur möglich wurzeln können, da das der einzige Weg ist, mit der geringsten Einflussnahme das einzigartige, richtige Terroir zu erhalten. Eine hohe Pflanzdichte hilft, genau das zu sichern. Nur mit dieser Methode (High-density plantation) erhalten wir die ursprünglichste Mykorrhiza – eine Symbiose zwischen Wurzelwerk und Mikroorganismen, allen voran Bakterien und Pilze, und nur so erhalten wir das ursprünglichste Mikroklima in der Zone der überirdischen Pflanzenteile der Rebe – auch hier wieder mitsamt ihren Milliarden von Mikroorganismen –, die später gemeinsam mit einer bestimmten Rebsorte und einem bestimmten Winzer in der Lage sind, eine bestimmte, einzigartige Originalität zu erzeugen.

Man sagt, “Terroir” inkludiere nicht nur Boden und das Mikroklima, sondern auch die Rebsorte: Welche autochthonen Rebsorten kultivieren Sie?

MM: Mit seiner geografischen Lage und der Lage seiner Weinbaugebiete, war und ist Tschechien Teil der Region Zentraleuropa, die schon immer sehr vielseitig und, in Sachen Weinqualität, schon immer kompliziert war. Mit der Zeit wurde über die Wahl der Rebsorten nach und nach die Qualität gesteigert. Neben qualitativen (hauptsächlich französischen) Sorten, wie der Burgunderfamilie, Sauvignon Blanc, Merlot, Cabernet Sauvignon etc., gibt es auch andere Qualitätssorten, zum Beispiel Grüner Veltliner, Silvaner, Riesling italico, Blaufränkisch etc. Diese Sorten können wir gewissermaßen als die ertragreicheren „autochthonen“ Rebsorten Zentraleuropas bezeichnen. Und auf diesen Sorten liegt unser Hauptfokus.

Zu guter Letzt: Wenn ein Kunde aus, sagen wir Deutschland, nach dem Wein fragen würde, der den Geschmack Ihres Zuhauses repräsentiert; welcher wäre das und warum?

MM: Ich denke, es gibt zwei Weine die ganz typisch für unser “wine house” sind: Zum einen die saftig, trocken, fruchtig-frischen Weine und zum anderen die trockenen, komplexen, lange gereiften Weine (sowohl in hochwertigen Eichenholzfässern als auch in Flaschen), die man als „Große Weine“ bezeichnen kann. Im Falle der ersten Weingruppe, als der fruchtigen, saftigen, frischen und trockenen Weine, verarbeiten wir nicht nur die genannten Vitis Vinifera Sorten, sondern auch einige neue, darunter auch PIWIs, aus unserem eigenen Züchtungsprogramm (Savilon, Rinot, Vesna, Malverina, Laurot etc.).

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Michlovsky! Wir freuen uns darauf, im Sommer ihre neuesten Bioweine verkosten zu dürfen.

Wer den Erfolg von Vinselekt Michlovsky weiter verfolgen möchte, wird demnächst beim internationalen bioweinpreis 2017 die Chance dazu haben. Mehr über Vinselekt Michlovsky erfahrt Ihr hier: http://en.michlovsky.com/

 



 

Passion, Patchwork & PIWIs….

Die Rückkehr des Weinlands Polen und ein Gespräch über Wein als Familienkitt

Polen & Wein: Zugegeben nicht das naheliegendste Wortpaar, das einem in Verbindung mit unserem, für seine spannenden Städte und imposanten Naturlandschaften bekannten Nachbarland in den Sinn kommt. Betrachtet man die Weinbautradition des Landes aber etwas genauer, fällt auf, dass insbesondere die Region um Zielona Góradas ehemalige Grünberg in Schlesien, eine durchaus lebhafte Weinbauhistorie aufzuweisen hat. Ebenso wie in der südöstlichen Woiwodschaft Podkarpackie (Vorkarpaten), wurde hier schon im

Weinfässer - (c) Winncia Turnau

14. Jahrhundert Wein kultiviert und auch mit der deutschen Weinbaugeschichte ist die Region eng verknüpft. So produzierte hier, im damals nördlichsten Weinbaugebiet Deutschlands, zum Beispiel die älteste Sektkellerei des Landes, Grempler & Co., von 1826 bis 1944 ihren Sekt. Ein Kuriosum: Der Weinberg der Kellerei liegt heute mitten in der Stadt und ist intakt, wird aber nicht für die Weinherstellung genutzt.

Nachdem der Weinbau zu Zeiten des Sozialismus in Polen fast vollständig zum Erliegen kam, bahnte sich 1990 eine zarte Renaissance an. Zwar sind es zunächst hauptsächlich kleine Betriebe, die den Weinbau eher als private Leidenschaft betreiben, aber dank lokaler Winzervereinigungen, der Unterstützung durch das Polnische Institut für Weinreben und Wein sowie der EU, darf der im Land produzierte Wein heute auch wieder gehandelt werden. Immer mehr Winzer stellen sich nun den bürokratischen Hürden und strengen Auflagen, die den Weinhandel im Land reglementieren.

Neben Zielona Góra in Niederschlesien und den Vorkarpaten sind auch in den südlichen Bergregionen Kleinpolens und Schlesiens sowie im Lubliner Land und in Großpolen zahlreiche passionierte Weinmacher zu finden. Und sogar im hohen Norden Masurens und Pommerns finden sich einige Winzer – insgesamt sind es heute wieder weit über 500 Betriebe.

Zu den wenigen Betrieben, die heute im größeren Stil produzieren und zugleich wesentlich weiter nördlich liegen, als die Gebiete um Zielona Gora und die Vorkarpaten, zählt Winnica Turnau bei Banie in Westpommern, rund 30 Kilometer südlich von Stettin.

Wir haben Jacek Turnau, einen der Begründer des familiären Betriebes gefragt, wie es dazu kam, dass ein Musiker, ein Absolvent der Wirtschaftsuniversität, ein Maschinenbauer und ein Absolvent der Agrarakademie gemeinsam ein Weingut führen; wie sie den Aufbau der Rebflächen angegangen sind und wie er die Zukunft des polnischen Weinbaus sieht….

Herr Turnau, Ihr Weingut ist ein echter Familienbetrieb, aber nicht im ganz klassischen Sinne, wie man das in Traditionshäusern oft findet. Erklären Sie uns doch kurz, wie es dazu kam, dass heute Cousins aus unterschiedlichsten Fachrichtungen auf dem Agrarland Ihres Vaters gemeinsam Wein kultivieren?

JT: Mein Vater beschäftigt sich bereits seit 22 Jahren mit Landwirtschaft und mit seinem Cousin Grzegorz Turnau ist er seit 25 Jahren sehr gut  befreundet. Grzegorz wiederum, der in Polen ein sehr berühmter Sänger ist, wollte schon immer auch etwas anderes machen, besonders im Landwirtschaftsbereich. Da passte die Idee mit dem Weingut hervorragend.

Sie haben mit dem Anlegen der Weingärten ja quasi bei Null angefangen. Wie haben Sie die Flächen und die Rebsorten ausgewählt? Wie sind die klimatischen Bedingungen und wie lange hat es gedauert, bis Sie Ihren ersten Wein auf die Flasche gezogen und etikettiert haben?

JT: Die richtige Lage für den Weingarten war einfach zu wählen, weil nur ein Grundstück zur Verfügung stand; es liegt neben einem sechs Hektar großen See und hat südliche Neigung. Die Fläche von 20 Hektar passte auch zu unserem Vorhaben.

Die Rebsorten haben wir nach Empfehlungen der Weininstitute in Freiburg und Geisenheim ausgewählt. Das Klima ist bei uns ähnlich wie in anderen bekannten Weingebieten (z.B. Zielona Góra)… die gleiche Zahl an Sonnetagen und die gleiche durchschnittliche Jahrestemperatur. 2009 haben wir mit den ersten 500 Pflanzen angefangen, dann kamen die nächsten zwei, drei und 15 Hektar. 2014 war schon unser erster Wein im Fass und im März 2015 haben wir unsere ersten Flaschen abgefüllt.

Man liest immer wieder, dass die polnische Bürokratie es den Winzern nicht ganz leicht macht, ihre Weine zu verkaufen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Und wussten Sie von Anfang an, dass Sie den Weinbau auch kommerziell betreiben wollen oder war es zunächst eher eine Liebhaberei? 

JT: Wir haben schon von Anfang an geplant, unsere Weine kommerziell zu produzieren und zu vermarkten. Die Prozeduren waren nicht einfach und es hat alles in allem zwei Jahre gedauert, bis alle Bedingungen erfüllt waren, aber die Einstellung seitens der Beamten war sehr positiv.

Urkundenübergabe 2015

Urkundenübergabe Int. PIWI Weinpreis 2015

Zwei Ihrer 2014er Weißweine gehören zu den großen Gewinnern des Internationalen PIWI Weinpreises 2015 und auch dieses Jahr haben Sie wieder erfolgreich teilgenommen. Nutzen Sie die Prämierung hauptsächlich im Vertrieb oder geht es Ihnen eher um die Analyse und das Abschneiden im internationalen Vergleich?

JT: Beide Faktoren sind für uns sehr wichtig, aber die Hauptrolle spielt die Möglichkeit unsere Weine im internationalen Vergleich zu sehen.

Noch eine Frage zum Vertrieb: Gehen die meisten Ihrer Weine in den Export oder sitzt Ihr Kundenstamm eher in Polen?

JT: 95 Prozent der Produktion verkaufen wir in Polen, aber man kann unsere Weine auch in Deutschland, Frankreich sowie der Tschechei und Slowakei beziehen.

Polen ist zwar nicht das erste Land, das einem in Verbindung mit Wein in den Sinn kommt; es hat aber durchaus eine lange Tradition in Sachen Weinbau, die heute vielerorts wieder aufgegriffen wird. Wie sehen Sie die Zukunft der Branche? Wird Polen wieder zu einer bekannten Weinnation?

JT: Das Klima ändert sich jedes Jahr. Unter diesen Vorzeichen wird die Weinproduktion sich in den nächsten Jahren sicher weiterentwickeln und wir bleiben sehr gespannt was die Zukunft uns bringen wird.

Vielen Dank für Ihre Zeit, Herr Turnau. Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie weiterhin viel Erfolg und sind gespannt auf die nächsten Jahrgänge!



Eine kleine Entdeckungsreise durch die Weinregionen am Plattensee in Ungarn

 
Als gebürtige Ungarin habe ich in meiner Jugendzeit meine Sommerferien oft am Plattensee verbracht. Wer schon einmal das Panorama des ungarischen Meers von einem Weingut bewundern, sowie die Winzer und ihre Leidenschaft für den Weinbau kennenlernen durfte, vergisst den Geist dieser Orte in seinem Leben nicht.
 
 

Das Weinland Ungarn zwischen Stierblut, Biobewegung und starken Reben

 

Traditionsbewusst, weltoffen und voller Tatendrang…

Ob es die Römer oder doch bereits die Kelten waren, die in Ungarn den Grundstein für eine große Weinbaunation legten ist nicht ganz erwiesen. Was jedoch unbestritten ist: Den Vergleich mit den großen europäischen Weinländern muss das verhältnismäßig kleine Land mit seinen 7 Weinregionen und 22 Anbaugebieten nicht scheuen. Zwar galt es in den Jahren des Eisernen Vorhangs gewissermaßen als Billigweinland, aber seit Ende dieser Ära hat sich viel getan. Die staatlichen Betriebe wurden privatisiert, große Investoren, z.B. aus Italien und Frankreich tauchten auf, und nicht wenige der enteigneten Winzer kehrten heim und kauften ihr Land zurück. Man besann sich auf die Tradition und zum Massenprodukt verkommene Weine, wie das berühmt-berüchtigte Stierblut, wurden zu neuer alter Qualität zurückgeführt.

Wir haben diese renommierte Winzer aus Ungarn interviewt.

Stierblut sagt in Ungarn heute allerdings kaum noch ein Winzer. Der ursprüngliche Begriff Bikavér, der für eine säurearme, tiefdunkle Rotweincuvée aus mindestens drei Sorten steht und heute meist den Kékfrancos als Basis hat, ist aber nach wie vor in aller Munde. Ungarns Winzer sind traditionsverbunden und gleichzeitig offen für Innovation. Landestypische Rebsorten wie der Kékfrancos (Blaufränkisch), der Furmint – Nummer eins Rebsorte des berühmten Tokaji Aszú – oder der empfindliche Juhfark (zu Deutsch Lämmerschwanz) werden ebenso angebaut, wie die bekannten internationalen Sorten und einige pilzwiderstandsfähigen Neuzüchtungen; moderne Kellertechniken kommen ebenso zum Einsatz wie traditionelle – zum Beispiel die Rotwein Maischegärung im offenen Betonbehälter.

Ein spannender Trend ist das wachsende Interesse am Bioweinbau in Ungarn. Der Wunsch nach weniger chemischem Pflanzenschutz und einem ökologischen Weinbau im Einklang mit den natürlichen Gegebenheiten findet auch hier immer mehr Anhänger und hat mit Krisztián Gyukli vom Weingut Gyukli in Balatonfüred am wunderschönen Plattensee einen innovativen und überaus sympathischen Fürsprecher gefunden. Er leitet heute den Betrieb, den sein Vater Gyula 1983 gründete, und betreibt seit 2010 Versuchsplantagen, mit denen er vielversprechende Neuzüchtungen sowie innovative landwirtschaftliche Methoden testen und in der Region etablieren will….

Herr Gyukli, Sie bauen nicht nur ganz traditionell ungarische Sorten, wie den berühmten Lämmerschwanz an, sondern bewirtschaften auch Versuchs-Rebflächen. Welche Rebsorten erforschen Sie in diesen Weinbergen?

K. Gyukli: „Im Jahr 2010 habe ich eine Versuchsplantage angelegt mit der Rebsorte Solaris. Diese Pilzwiderstandsfähige Rebsorte habe ich bereits am Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg 10 Jahre erforscht. Unsere Solaris-Reben in Ungarn sind seit 5 Jahren ohne Pflanzenschutz kerngesund und sind schon im August reif. Da unser „Bio Solaris 2014 Virgin Vintage” europaweit bei mehreren Weinwettbewerben Großes Gold, Champion Price oder den ersten Platz geholt hat, wird dieses Jahr die Solaris Fläche erweitert. Vor drei Jahren habe ich dann eine ungarische weiße Sorte angebaut mit dem Namen Füredgyöngye (Perle von Füred). Der Züchter hat mich gebeten diese noch nicht klassifizierte Sorte bekannt zu machen. Ich bin mit beiden Rebsorten äußerst zufrieden. Im Jahr 2017 möchte ich dann die rote PiWi Sorte Néró anpflanzen, um tolle Bio Rosé Perlweine herstellen zu können.”

Gibt es Sorten, die Sie besonders überzeugen? Welche Eigenschaften müssen sie für das Klima in Ihrer Region mit sich bringen?

K. Gyukli: „Die Rebsorte Olaszrizling hat bei uns die größte Bedeutung. Sie ist zwar eine konventionnelle Sorte, die Pflanzenschutz benötigt aber die eine optimale Säure-Zucker Entwicklung in der Reifephase durchläuft und die eine stabile Beerenhaut besitzt. Dies ermöglicht nicht nur frische-fruchtige, sondern auch körperreiche Auslesen und edelsüße Trockenbeerenauslesen. Der 14’er Sommer war in Balatonfüred sehr kalt und nass, der 15’er extrem heiß… die Sorte Olaszrizling hat aber bewiesen, dass sie sich in den Karpaten wohlfühlt: Wir konnten beide Jahre hervorrangende Weine ausbauen.”

Man kennt die PIWIs ja eher aus nördlichen, eher kühlen und niederschlagsreichen Weinländern – gibt es in Ungarn viele Winzer, die sich für das Thema interessieren? Gibt es da einen Austausch oder probiert jeder, was in seinen Lagen am besten funktioniert?
Gyukli mit Solaris-800
K. Gyukli: „In Ungarn gibt es zur Zeit ca. 60.000 ha Rebfläche, davon knapp 10.000 ha PiWi. Ich glaube damit sind wir gut vorne was PiWi angeht. In der Tiefebene pflanzen viele Winzer die Sorte Bianca (gleicher Züchter wie bei den Sorten Füredgyöngye und Néró) weil die Sorte kaum Chemikalien braucht, einen riesen Ertrag hat und leicht maschinell bewirtschaftet werden kann. Es gibt viele ungarische PiWi Sorten mit sehr guten Eigenschaften. Die Winzer haben immer weniger Angst davor diese Sorten auszuprobieren. Immer mehr Jungwinzer stellen ihre kompletten Rebflächen ökologisch um, unabhängig davon, ob die Sorten PiWi oder Tradiotionelle sind.”

Sie testen in den Versuchsplantagen auch weinbautechnische und landwirtschaftliche Methoden. Können Sie uns einen kleinen Einblick geben?

K. Gyukli: „Es gibt bei uns am Plattensee viele unterschiedliche Böden, die es uns ermöglichen unterschiedliche Saatgüter auszuprobieren. Unsere Ökoflächen haben 2 Vogelnester und 2 Insektenhotels pro Hektar. In der Vegetationsphase ziehen wir 2 mal Blattproben und einmal Bodenproben, um die optimale Nährstoffversorgung der Reben zu unterstützen. Nächstes Jahr fangen wir mit einer speziellen Erziehungsform mit dem sogenannten Rutenkordon an. Das ist eine spezielle Variante aus dem Minimalschnitt. Hier erwarten wir eine stabile Laubwand (gegen Hagelschaden) und trotz riesen Ertrag reife Trauben aufgrund eines besseren Ruten-Trauben Verhältnisses.”

Ein weiterer wichtiger Botschafter des ökologischen Weinbaus in Ungarn ist das Demeter zertifizierte Weingut Wassmann in malerischen Villány, der südlichsten Weinbauregion des Landes. Die Eigentümer Susann Hanauer und Ralf Wassmann geben uns einen Einblick in die wachsende Biobewegung ihrer Region und erklären, warum sie sich auf Verbraucherseite beim Wein besser durchsetzt als bei anderen Produkten.

Frau Hanauer, Herr Wassman, Ihr Betrieb ist seit 2011 Demeter zertifiziert und übernimmt eine Art Vorreiterrolle für die Region Villány. Konnten Sie in den letzten Jahren ein wachsendes Interesse am biologischen / biodynamischen Weinbau in Ihrer Region beobachten?

Susann Hanauer & Ralf Waßmann bei der Portugieser Lese

Susann Hanauer & Ralf Waßmann bei der Portugieser Lese

S. Hanauer: „Ja, in Villány haben mehrere große Weingüter inzwischen ganz oderteilweise auf Bio umgestellt und weitere tun es. Wir haben momentan in Villány den höchsten prozentualen Anteil an ökologisch bewirtschafteten Weinbergen in ganz Ungarn. Die Villányer Winzer, die übrigens zum Großteil deutschstämmige Donauschwaben sind, sind schon immer am innovativsten gewesen von den 22 Weinbaugebieten hierzulande: Sie haben die erste ungarische Weinstraße, Villány-Siklós, und die erste geschützte Herkunftsgarantie (Districtus Hungaricus Controllatus Villány) ins Leben gerufen und gehen auch in Sachen Ökologie mit gutem Beispiel voran. Wir alleine beraten inzwischen schon 3 Weingüter mit insgesamt 44 Hektar, was ökologischen Rebbau angeht. Ganz Villány hat insgesamt nur ca. 2500 Hektar Weinbaufläche und gilt als das bedeutendste Rotweingebiet Ungarns. Das Interesse an Biodynamie steigt auch, aber langsamer. Biodynamie, Demeter und Rudolf Steiner sind hierzulande längst nicht so bekannt wie in Deutschland, obwohl Rudolf Steiner auf damals ungarischem Boden geboren wurde. Es gibt zwar schon einige Walldorfschulen, aber die biodynamische Landwirtschaft ist noch sehr unbekannt. Wir sind erst das zweite Weingut in ganz Ungarn, das Demeter-zertifiziert ist. Aber immer mehr arbeiten mit den biodynamischen Präparaten und wir unterstützen auch hier unsere Kollegen so gut es geht.“

Gibt es eine Art Vereinigung der Biowinzer im Land, in der Sie sich mit den Kollegen austauschen können, oder passiert das eher auf internationaler Ebene?

R. Waßmann: „Es gibt keinen Verband wie z.B. Ecovin in Deutschland, aber es gibt einen Zusammenschluss von Winzern, die naturnah arbeiten, nicht unbedingt alle biozertifiziert, aber alle haben die Charta unterschrieben, die sogar noch strenger ist, als die Demeter-Richtlinien, weil z.B. keinerlei Chaptalisierung erlaubt ist. Dieser Zusammenschluss heißt TERRA HUNGARICA. Die Gründer dieser eingetragenen Marke veranstalten regelmäßige Treffen und auch eine eigene Messe in Budapest, die MITISZOL, zu Deutsch: Was trinkst Du? Für uns ist aber der internationale Austausch noch wichtiger, denn die Weingüter mit wirklich langer Erfahrung in Sachen biodynamischer Weinbau liegen nicht in Ungarn, sondern im Ausland. So besuchen wir z.B. die Naturweinmessen RAW und Label Grand Karakterre und auch einzelne Kollegen auf ihren Weingütern. Das ist jeweils sehr lehrreich und inspirierend für uns und unsere Arbeit.“

Welchen Stellenwert haben Bioprodukte ganz allgemein in Ungarn? Wächst der Markt ähnlich stark wie bei uns in Deutschland?

S. Hanauer: „In Ungarn werden sehr viele Bioprodukte erzeugt, aber die meisten werden inzwischen exportiert, v.a. nach Deutschland. Hier im Land ist die Schere zwischen arm und reich seit der Finanzkrise viel drastischer ausgebildet als z.B. in Deutschland. Die allermeisten Ungarn müssen mit dem gesetzlichen Mindestlohn auskommen, der gerade so zum Überleben reicht, aber schon nicht mehr für beispielsweise ein Auto oder Urlaubsreisen. Es können sich also nur sehr wenige Ungarn die teureren Bio-Lebensmittel finanziell leisten. In den Discountern werden z.B. erst seit ca. 3 Jahren überhaupt einige wenige Bioprodukte angeboten, und auch das nur sehr unregelmäßig. Bioweine sind hingegen nicht teurer als qualitativ vergleichbare, konventionell erzeugte Weine und da spürt man schon eher einen Trend hin zu Bioweinen, vor allem in der gehobenen Gastronomie, wo auch unsere Weine sehr beliebt sind.“

Noch eine Frage zu den Rebsorten: Setzen Sie eher auf internationale Sorten oder bauen Sie auch typisch ungarische Reben an? Gibt es eine Rebsorte, die besonders typisch für Ihre Region ist?

R. Waßmann: „Wir setzen vor allem auf typische Rebsorten, die im 18. Jahrhundert mit der Ansiedelung der Donauschwaben nach Ungarn kamen: Beim Rotwein sind das unsere Hauptsorte Kékfrankos sowie Kékoportó, der neuerdings Portugieser genannt werden muss. Olaszrizling (Welschriesling, wörtlich eigentlich: italienischer Riesling) kam dann 1850 über die Steiermark aus der Champagne hier her. Siklós, die Gemarkung im Villányer Weinbaugebiet, wo unsere Rebflächen liegen, gilt hierzulande als eines der besten Welschriesling-Terroirs. Die sogenannten internationalen Sorten sind hier aber auch schon seit über hundert Jahren heimisch, sind also lange etabliert und keinesfalls eine kurzfristige Modeerscheinung, denn sie kamen schon damals während der Reblausseuche nach Villány. Sigmund Teleki hat hier seit 1890 sehr erfolgreich Unterlagenzucht betrieben und damit den europäischen Weinbau gerettet, weshalb Winzer aus ganz Europa ihre Sorten zu ihm schickten, damit er Versuche machen konnte. Und viele Rebsorten fühlten sich hier so wohl und ergaben so hochkarätige Weine, dass sie geblieben sind. Deshalb bauen wir auch Merlot, Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc an. Cabernet Franc wird außer an der Loire nur hier in Villány reinsortig ausgebaut und wie der berühmte Terroirforscher und Weinbauberater Claude Bourguignon und seine Frau im November auf der ersten internationalen Cabernet Franc Konferrenz in Villány bestätigt haben, haben wir hier in Villány ein absolut herausragendes Terroir für diese Sorte. Michael Broadbent (MW) hatte ja schon im Jahre 2000 im Decanter Magazin geschrieben, dass Cabernet Franc seine Heimat in Villány gefunden habe. Wir Villányer Winzer sind überzeugt, dass wir mit unseren reinsortigen Cabernet Francs, für die innerhalb der Klassifizierung DHC Villány nochmals strengere Regeln gelten und die sich dann „Villányi Franc“ nennen, in Zukunft auch international für Aufmerksamkeit sorgen und Villány wieder so bekannt machen können, wie es zu Kaiserzeiten schon war, als es an den europäischen Höfen hieß: „Nullum vinum nisi hungaricum“, zu Deutsch: Kein Wein außer ungarischem. In diesem Sinne, herzliche Grüße aus Villány!“

Wir bedanken uns ganz herzlich bei unseren Interviewpartnern aus Villány und Balatonfüred und wünschen weiterhin viel Erfolg!

Deutschsprachige Informationen zu den beiden Weingütern sowie deren Vertriebsstellen in Deutschland findet Ihr unter www.weingut-wassmann.com und www.gyuklipince.hu.